“Ich müsste doch eigentlich anders sein” Jana, 42

Den Großteil meines Lebens war ich mit meinem Sex und meiner Lust auf Sex unzufrieden. Ich hatte zwar viel Sex, aber es war so schambehaftet dass ich wenig Lust empfunden habe. Es war eigentlich nur erlaubt, Lust für den anderen zu leben. So habe ich mich nie darum gekümmert, dass ich z.B. einen Orgasmus bekomme. Wichtiger war, dass mein Partner einen hatte. In der Selbstbefriedigung bin ich auch nicht auf die Idee gekommen diese zu genießen, es war immer heimlich, schambehaftet und schnell. Also alte Glaubenssätze und fremde Werte haben mich bestimmt. Alles wurde beurteilt und man war entweder eine notgeile Schlampe, wenn man Lust auf Sex hatte oder eine gute Geliebte, Sex war nur mit dem Partner erlaubt, etc.

Als Jugendliche habe ich viele One-Night-Stands gehabt, habe aber nur beim Erobern Lust gehabt. Der Sex selbst war  in den meisten Fällen frustrierend. Es ging nie um meine Lust. Ich habe mich erst vor Kurzem wirklich angefangen zu fragen, was ich denn will. Deswegen wollte ich auch nie mehrmals mit dem selben Sex haben. Ich habe mich jedes Mal wie eine Versagerin gefühlt, weil ich dachte, dass ich geilen Gefühle haben und ich demnach frigide oder irgendwie krank sein müsste (wieder so Glaubenssätze).

Ich hatte das Gefühl zu versagen

Ich hatte später auch längere Beziehungen. Am Anfang war durch die Verliebtheit der Sex auch schön für mich, aber ich konnte immer noch nicht darüber sprechen. Nach der Anfangsphase der Beziehung, hatte ich dann kaum noch  Lust auf Sex. Ich konnte Orgasmen haben, aber die Lust war nur ganz kurz vorher und währenddessen da - in der Phase, in der die Kontrolle nachlässt. Ansonsten war mir meistens viel peinlich, ich hatte das Gefühl zu versagen oder hab mir Vorwürfe gemacht, dass ich doch anders sein sollte.

Mit 20 hab ich Tantraseminare besucht und gelernt, dass es nicht um Leistung oder Ergebnisse geht, sondern um Genuss und Achtsamkeit. Ich entwickelte mich weiter und begann, mehr zu wagen. Aber in der Paardynamik hat es erstmal die nächsten 10 Jahre nichts geändert. Ich wollte immer das Optimum für den anderen erreichen und konnte immer noch nicht über meine Lust sprechen und nahm sie auch kaum wahr.

Ich übe mit Freundinnen darüber zu sprechen

Seit ca drei Jahren ändert sich langsam wirklich was in mir. Ich beginne meinen Körper zu erforschen und zu spüren, was mir Lust macht. Ich übe mit Freundinnen darüber zu sprechen, erlebe Selbstliebe immer mehr als etwas Gesundes, das mir gut tut.

Im Partnersex bin ich initiativer geworden. Es fällt mir immer noch sehr schwer während des Sex darüber zu sprechen, aber ich kann durch aktives Handeln viel Einfluss darauf nehmen, z.B. Stellungswechsel, ändern des Tempos oder die Hand der anderen Person zu führen. Und vor allem kann ich immer wieder zu mir selber kommen, meine eigene Lust oder Unlust spüren. Ich bin mit allen Sinnen anwesend bei dem was passiert und empfinde dadurch viel mehr Lust. Und ich schäme mich nicht mehr für meinen Körper, sondern genieße ihn.

Wenn es im Sommer sehr heiß ist oder ich in der Sauna bin, fühle ich mich meistens erotisiert.

Ich bin ziemlich breit aufgestellt wenn es darum geht, was mich antörnt, es ist aber situationsabhängig. Wenn ich aus dem Nichts Gefühle der Erregung herbeiführen möchte, hilft es mir sexuelle Fantasien abzurufen. Die sind dann schon ziemlich pornös. Es können auch erotische Bilder, Filme, Geschichten sein. Ich nutze das für mich sehr selten, aber es funktioniert sehr effektiv. Manchmal bin ich auch angetörnt wenn ich eine Person nur sehe und sie etwas ausstrahlt. Ich kann gar nicht benennen, was das ist. Auch Wärme törnt mich an. Wenn es im Sommer sehr heiß ist oder ich in der Sauna bin, fühle ich mich meistens erotisiert.

In realen Begegnungen törnt es mich an, Begehren zu spüren, das kann auch subtil sein. Ich mag es, wenn eine Begegnung authentisch ist und sich alle Beteiligten sich zeigen,  können wie sie wirklich sind.

Dagegen törnt mich ab, wenn ich überrumpelt oder achtlos angefasst werde,, wenn jemand ungepflegt ist oder künstliche Gerüche wie Aftershaves, Parfums oder parfümierte Duschgels trägt. Auf meiner Seite ist Stress ein Abtörner oder mangelndes Selbstwertgefühl.

Im Moment erlaube ich mir zum ersten Mal eine Phase mit viel unverbindlichem Sex, einfach nur um mich selbst zu erfahren und meine Sexualität weiter zu entwickeln. Es macht mir viel Spaß, lässt mich lebendig und ermächtigt fühlen. Ich empfinde aber Grenzen der Lust, denn um mich tief fallen zu lassen, bedarf es für mich das tiefe Vertrauen in einer längeren Partnerschaft.

Ich finde es ganz normal nicht immer gleichzeitig Lust zu haben.

Wenn ich in meiner letzten Beziehung Lust hatte und mein Partner nicht, was vorkam, habe ich mich zeitnah selbst befriedigt. Blöd fand ich es nur, wenn wir Sex hatten, er gekommen und eingeschlafen ist und ich dann unbefriedigt neben ihm lag. Dann hab ich mich manchmal nicht getraut, mich noch selbst zu befriedigen. Irgendwie kamen dann ganz komische Ängste hoch, die was mit alten Glaubenssätzen zu tun hatten, etwa nur durch den Mann Lust empfinden zu dürfen.

Wenn er Lust hatte und ich nicht war es schwieriger, weil er sich dann ungeliebt fühlte. Ich habe ihm manchmal angeboten, einen Handjob zu machen, wenn ich Zeit hatte oder ihm vorgeschlagen es sich selbst zu machen. Aber er fand das dann zu technisch und war damit unzufrieden. Ich meinte das ganz liebevoll, ihm und mir gegenüber, wollte nichts erzwingen und nichts unterdrücken. Ich finde es ganz normal nicht immer gleichzeitig Lust zu haben. Sich aber gegenseitig in der Lust zu sehen und zu unterstützen finde ich total schön. Auch zu wissen, dass jede Person noch eine ganz eigene Sexualität hat durch Solosex finde ich schön.

In letzter Zeit beschäftige ich mich sehr viel mit Sexualität und Sex. Ich mache auch eine Ausbildung in dem Bereich und habe viel für mich gelernt. Darum bin ich im Moment zufrieden mit meiner Lust.

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“Ich glaubte, wenn ich es schaffe dünn zu sein, bekomme ich Anerkennung” Ruby, 31

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“Was mich abtörnt & antörnt” Finja, 29