“Durch Medikamente habe ich meine Libido verloren” Marita, 31

Meine Libido hat sich in unserer 9-jährige Beziehung stark verändert. Das hat sich auch in unserem Sexualleben widergespiegelt.

Im ersten Jahr unserer Beziehung wollten wir quasi immer miteinander schlafen. Wir wohnten anfangs noch nicht zusammen und hatten immer Lust aufeinander, sobald wir uns nahe waren. Dabei hat sich unser Liebesakt immer gleich abgespielt. Erst ein kleines Vorspiel mit Knutschen und Streicheln, dann beidseitige orale Befriedigung und als Abschluss penetrativer Sex in der Missionarsstellung. Mal hat er die Führung übernommen, mal ich. Ich bin immer zum Orgasmus gekommen, häufig auch zwei mal. Es hat einfach alles gepasst. Sogar unsere Beckenformen fügen sich perfekt ineinander. 

Durch die Medikamente habe ich meine Libido direkt und komplett verloren
Nach dem ersten Jahr meiner jetzigen Beziehung kam ich in die Psychiatrie. Insgesamt war ich dort für 13 Wochen wegen einer generalisierten Angststörung und Depression, was später dann zur Diagnose Borderline Persönlichkeitsstörung führte. Mein Aufenthalt in der Psychiatrie hatte erstmal keine Auswirkung auf meine Libido. Wann immer mein Mann mich besuchte, haben wir versucht, miteinander zu schlafen.

Erst durch die Medikamente habe ich meine Libido direkt und komplett verloren. Meine psychische Gesundheit hat sich durch die Therapie zwar stark verbessert, aber “vollgedröhnt” mit Psychopharmaka spürte ich keinerlei Lust auf Sex. Ich nahm recht hohe Dosen von Antidepressiva und Beruhigungsmitteln und war dadurch komplett runtergefahren. Nach anfänglichen Nebenwirkungen wie Schwindel, Übelkeit und Durchfall fühlte ich nach drei bis vier Wochen nur Leere. Keine Emotionen, einfach nur Leere. Und natürlich keine Libido.  

Mein Mann wurde zusehends frustrierter.
Dabei habe ich wirklich um sie gekämpft. Immer wieder habe ich versucht, durch Masturbation zum Höhepunkt zu kommen. Aber auch nach geschlagenen 45 Minuten Hand anlegen ist nichts passiert. Kein Funke, keine Lust, nada! Ich hätte genauso gut meinen Oberarm reiben können. 

Als ich aus der Psychiatrie entlassen wurde, ging es mir psychisch deutlich besser, aber meine Lust blieb bei meiner Genesungsreise auf der Strecke.

Wie zu erwarten, hatte das nicht die beste Auswirkung auf unser Sexleben. Mein Mann wurde zusehends frustrierter.  Wir hatten zwar immer noch Sex, aber es ging eigentlich immer von ihm aus. Ich selbst bin dabei nie zum Orgasmus gekommen. Mein Partner wusste, dass er nichts dafür konnte. Dennoch hatte es auch Auswirkungen auf seine Lust. Er hat sich viel Mühe gegeben und ist trotzdem selbst manchmal nicht gekommen. Seine Lust hängt wie bei mir davon ab, sich begehrt zu fühlen. 

Wir haben seit einiger Zeit einen neuen Liebesgefährten im Bett
Erst ein halbes Jahr nach Beginn der medikamentösen Therapie bekam ich nach 30-minütiger Selbstbefriedigung zum ersten Mal wieder einen Orgasmus. Je niedriger meine Medikamente dosiert wurden, umso leichter fiel es wieder Orgasmen zu haben, die auch intensiver waren. Unser übliches Sexskript hat sich nach Beginn der Medikamenteneinnahme grundlegend geändert. Wir haben seit einiger Zeit einen neuen Liebesgefährten im Bett - nämlich einen wirklich hochwertigen, kostspieligen und geliebten Vibrator. Wenn ich mit ihm zum Höhepunkt komme, ist es wirklich der absolute Wahnsinn. Eine Investition, die sich definitiv für mein Sexleben rentiert hat. Mein Mann musste erst lernen, den Virbrator nicht als Konkurrenz wahrzunehmen. Es stört ihn, dass er es nicht mehr schafft, mich zum Orgasmus zu bringen, aber dieses Gerät dagegen fast mühelos. Ich musste die beiden also erst einander vorstellen, bis er den Vibrator als Verbündeten sehen konnte. 

Immerhin geht es um nichts weniger als meine Libido.
Mittlerweile habe ich gelernt, mit meiner veränderten Libido umzugehen und konkrete Wünsche zu äußern. Ich kommuniziere genau und so detailliert wie möglich, was mich befriedigt und was mich zum Höhepunkt bringt.

Der Virbrator muss dabei sein. Außerdem möchte ich zu Beginn länger am Rücken gekrault werden. Das hilft mir, meinen Kopf frei zu bekommen und zu entspannen. Wenn mein Mann dabei zickt, bin ich mittlerweile egoistisch genug, um auf meine Bedürfnisse zu bestehen. Immerhin geht es um nichts weniger als meine Libido. Ich weiß, wie es ist, wenn die Libido verloren geht, und ich will sie nicht wieder vermissen. Ich bestehe außerdem darauf, dass mich mein Mann oral befriedigt, auch wenn ich mich nicht mehr rasiere im Intimbereich. Das war für ihn zunächst ein riesiges Problem. Und dadurch, dass es ihm offensichtlich unangenehm war, wurde ich unsicher und konnte nicht zum Höhepunkt kommen. Zur Unsicherheit beigetragen hat auch, dass ich in den letzten acht Jahren durch meine Erkrankung und der medikamentösen Therapie 40 Kilo zugenommen habe. Egal, wie ich mich ernähre, meine Gewichtszunahme hört einfach nicht auf. Ich muss mich deshalb erst in meinem neuen Körper zurechtfinden. Wenn ich mich nicht sicher oder geliebt fühle, komme ich einfach nicht zum Orgasmus.  

Wir hatten nur noch alle 4 bis 6 Wochen Sex
Nach ein paar Jahren haben wir trotz Vibrator und meiner offeneren Kommunikation sexuell immer mehr nebeneinander her gelebt. Jeder hat es sich im eigenen Kämmerchen “gemütlich” gemacht und sich dort befriedigt. Wir hatten nur noch alle 4 bis 6 Wochen Sex, was wir beide für unser Alter als zu wenig empfanden. Oft saß ich mit ihm auf der Couch und sagte sowas wie, „Hey, eigentlich wird‘s mal wieder Zeit.“  Aber dann war es einem von uns doch zu spontan und wir ließen es bleiben. 

Das störte mich. Ich wollte wieder eine gemeinsame Lust entwickeln. Ich habe ihn darauf angesprochen, doch er weicht solchen Gesprächen gerne aus. Verändert hat sich das durch unseren aktiven Kinderwunsch. Durch den Eisprung haben wir festgelegte Termine, wann wir Sex haben sollten. Hört sich erst mal nur bedingt romantisch an, aber wir versuchen es mit Humor zu nehmen und das funktioniert ganz gut für uns. Er kennt meinen Zykluskalender, und ich versuche ihn so gut es geht mit einzubeziehen, damit er weiß, was los ist. 

„So“, dachte ich. „Zeit den Druck rauszunehmen.“ 
An einem fruchtbaren Tag war er eigentlich zu müde. Er saß auf der Couch und ich erinnerte ihn daran, dass es heute mal wieder soweit ist. Er seufzte und meinte, er sei wirklich fertig von der Arbeit. Abends, als wir gemeinsam im Bett lagen, knisterte es dann doch und wir schliefen miteinander. Oder haben es zumindest versucht. Er war doch viel zu erschöpft, um zu kommen. Ich kam auch nicht. „So“, dachte ich. „Zeit den Druck rauszunehmen.“ Ich bestand darauf, meinen Mann mal so richtig zu verwöhnen und fing an, ihn oral zu befriedigen. Auch wenn er sehr müde war, genoss er es - ich weiß, dass ich das gut kann. Er kam dann in meinen Mund und ich dachte, “Moment! Das wäre jetzt schon ‘ne Verschwendung.” Mir fiel die Aufziehspritze ein, die ich noch hatte. Mein Mann war komplett perplex und wiederholte kopfschüttelnd: „Das ist so verrückt!“. Ich habe das Sperma irgendwie in diese Spritze bekommen und sie meinem Mann in die Hand gedrückt, damit er sie mir vaginal einführt. Ich wollte ihn schließlich aktiv miteinbeziehen. Heute lachen wir oft darüber und sprechen davon, dass es wieder Zeit wird für die nächste “Injektion”. 

Ich habe durch diese Veränderung neue Wege kennengelernt, mich sexuell auszuleben. 
Meine psychischen Erkrankungen beeinflussen mein Leben kaum noch. Durch die Medikamente bin ich gut eingestellt. Meine mentale Gesundheit ist mir so wichtig, dass ich dafür auch die starke Nebenwirkung hinsichtlich meiner Libido hinnehme. Ich habe durch diese Veränderung neue Wege kennengelernt, mich sexuell auszuleben. Offene Kommunikation und eine gute Portion Humor haben unserem Sexleben geholfen, wieder auf die Beine zu kommen und unserem Kinderwunsch können wir jetzt ganz locker entgegensehen.

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