WISSEN💡Über Hormone und sexuelle Lust: Warum der Zyklus nicht alles erklärt

Allgemein gilt die Annahme, dass Frauen mehr Lust haben um den Eisprung herum. Allerdings vereinfacht diese Aussage die weibliche Lust, die von vielen weiteren Faktoren beeinflusst wird, als dem Zyklus. Es ist sehr spannend, mal genauer hinzuschauen, inwiefern die hormonellen Schwankungen im Zyklus tatsächlich Einfluss auf die Libido haben.

Die wichtigsten Sex-Hormone

Testosteron

  • Libido und sexuelle Begierde: Testosteron wird oft fälschlicherweise als das männliche Sex-Hormon betrachtet. Wir haben viel mehr Testosteron als Ă–stradiol (wichtigstes Ă–strogen) in unserem Körper! Es wird bei der Hormonersatztherapie meist “vergessen”! Es wird in der Menopause zunehmend verschrieben, auch um die weibliche Lust zu steigern. 

  • Allgemeines Wohlbefinden: Testosteron kann auch das allgemeine Wohlbefinden und die Energie beeinflussen, was sich auf die sexuelle Aktivität auswirken kann.

Ă–strogen

  • Einfluss auf die Vaginalfeuchtigkeit: Ă–strogen beeinflusst die Produktion von Vaginalschleim, der fĂĽr die Befeuchtung wichtig ist. Ein ausgewogenes Niveau an Ă–strogen fördert eine gesunde vaginale Umgebung und hat einen positiven Einfluss auf die Lust auf Sex.

  • Blutfluss: Ă–strogen trägt zur Erhöhung des Blutflusses in den Genitalien bei, was eine Rolle bei der sexuellen Erregung spielt.

Progesteron

  • Einfluss auf den Zyklus: Progesteron steigt nach dem Eisprung an. Studien haben gezeigt, dass Progesteron sich eher hemmend auf die sexuelle Lust auswirkt. Es kann Einfluss auf die Stimmung haben, was sich auch auf die sexuelle Lust auswirken kann.

Prolaktin und Oxytocin

  • Nach dem Orgasmus: Prolaktin wird nach dem Orgasmus freigesetzt und kann vorĂĽbergehend die sexuelle Erregung dämpfen. Oxytocin, auch als "Bindungshormon" bekannt, kann nach dem Sex freigesetzt werden und GefĂĽhle der Nähe und Zuneigung fördern.

Hormone spielen eine essentielle Rolle bei der Entstehung der Lust. Jedoch sind Hormone nicht nur an den Zyklus gebunden, sondern werden durch viele kurzfristige, mittel- und langfristige Veränderungen beeinflusst. Audiovisuelle Reize, Stress, Medikamente, Wetter, Sport, Beziehungskonflikte verändern verschiedenste Hormonlevel und das hat den stärksten Einfluss auf die Lust. Der hormonelle Zyklus ist wie ein sanftes Wabern im Hintergrund, die wahren Höhen und Tiefen bringt das Leben.

Rund um den Eisprung steigt die Lust aber die Psyche hat den größeren Hebel

In einer aktuellen Studie mit 213 weiblichen Studentinnen wurde erforscht, wie sich der Menstruationszyklus auf das sexuelle Verlangen auswirkt. Die Ergebnisse zeigten, dass es im Durchschnitt einen leichten Anstieg des sexuellen Verlangens in der Zyklusmitte gab. Jedoch gab es große individuelle Unterschiede – manche Frauen zeigten den Anstieg in der Mitte, andere vor oder während der Periode, und einige hatten keine Veränderung. Die Studie betonte, dass psychologische Veränderungen wichtiger waren als körperlich-biologische, und schlug vor, dass das tägliche Messen des sexuellen Verlangens über mehrere Zyklen hinweg für einige Frauen eine nützliche Methode sein könnte.

Mehr zu Hormonen und Libido? Hier findest du echte Erfahrungsberichte von Frauen und weitere Artikel.

Jede Frau tickt anders - manche schneller als andere

Schluss mit dem Gedanken an "one-size-fits-all"! Forscher betonen die Bedeutung individueller Unterschiede. Manche Frauen erleben einen Lust-Höhepunkt in der Mitte des Zyklus, andere kurz vor oder während der Menstruation. Jede Frau tanzt nach ihrer eigenen Melodie – und das ist wunderbar normal!

Die "fast life history theory" bezieht sich auf Menschen, die sich in ihrer Lebensgeschichte auf eine schnellere Fortpflanzung und eine höhere Anzahl von Nachkommen ausrichten. Frauen mit einer schnellen Lebensgeschichte erleben demnach einen Höhepunkt der sexuellen Begierde in der Mitte des Zyklus, was mit einer erhöhten Fruchtbarkeit und einem optimalen Zeitpunkt für die Fortpflanzung zusammenhängt.

Im Gegensatz dazu bezieht sich die "slow life history theory" auf Menschen, deren Lebensgeschichte auf eine langsamere Fortpflanzungsstrategie ausgerichtet ist, mit einer geringeren Anzahl von Nachkommen, aber möglicherweise einer höheren Investition in die Aufzucht und Pflege jedes Kindes. Frauen mit einer langsamen Lebensgeschichte erleben zwei Höhepunkte der sexuellen Begierde, sowohl in der Mitte des Zyklus als auch um ihre Menstruation herum.

Der Körper reagiert je nach Zyklusphase unterschiedlich auf audiovisuelle sexuelle Reize

In einer anderen Studie wurde untersucht, wie der Körper auf audiovisuelle sexuelle Reize reagiert. Je nach Phase im Zyklus schĂĽttete der Körper mal mehr, mal weniger Ă–strogene oder Testosteron aus. Der Körper reagiert also unterschiedlich auf Pornos oder Erotikstories je nachdem ob du um den Eisprung bist (höhere AusschĂĽttung) oder vor der Menstruation stehst. 

Wenn der Zyklus nicht mehr rund läuft: hormonelle Verhütung und Menopause

Sowohl hormonelle VerhĂĽtung als auch die Peri-/Menopause verändern Verhältnisse im Blut von Ă–strogen, Progesteron, Testosteron. Es gibt keinen Zyklus mehr. 

Durch die Pille (Kombi aus Östrogen und Progesteron) wird der Körper künstlich in der zweiten Zyklushälfte gehalten, so dass es zu keinem Eisprung kommt. Je nach hormoneller Kombination in der Pille können sich auch die Auswirkungen auf den Zyklus unterscheiden. In der Menopause sinkt Östrogen und Testosteron und es kommt seltener (Perimenopause) oder gar nicht mehr zum Eisprung und Menstruation (Menopause).

Dies kann die Lust auf Sex verändern, muss sie jedoch nicht unbedingt verringern. Es kann bedeuten, dass sich das, was dir beim Sex wichtig ist, verändert. Vielleicht wird die Penetration weniger wichtig, dafür aber zärtliches Kuscheln.

Die weibliche Lust ist komplex, einzigartig und wandelbar. Anstatt sich auf Hormone zu verlassen oder ihnen gar die Schuld zu geben, lasst uns besser auf unseren Körper und unser Gefühl achten: Sex soll sich immer gut anfühlen - egal welches Hormon im Vormarsch ist.

Und jetzt? Was hat das alles mit deiner Lust zu tun?

  1. Individuelles Verständnis der Lust: Verstehe, dass die sexuelle Lust von vielen verschiedenen Faktoren beeinflusst wird, nicht nur vom Menstruationszyklus. Berücksichtige auch psychologische Veränderungen und individuelle Unterschiede.

    Anwendung: Sei offen für Kommunikation mit deinem Partner über sexuelle Vorlieben und Bedürfnisse. Erforsche, was für dich persönlich stimulierend ist, unabhängig vom Zyklus.

  2. Achtsamer Umgang mit Hormonen: Kenne die Rolle von Östrogen, Testosteron, Progesteron, Prolaktin und Oxytocin im Zusammenhang mit der Libido. Beachte, wie sie den Körper beeinflussen und wie du durch hormonelle Schwankungen Veränderungen in der sexuellen Lust erleben könntest.

    Anwendung: Achte auf eine ausgewogene Ernährung, ausreichend Bewegung und guten Schlaf, um die Hormonproduktion zu fördern. Konsultiere bei Bedarf die Ärztin deines Vertrauens, um hormonelle Ungleichgewichte zu klären.

  3. Achtsame Wahrnehmung des Körpers: Verstehe, dass der Körper je nach Zyklusphase unterschiedlich auf sexuelle Reize reagiert. Dieses Wissen kann genutzt werden, um das sexuelle Erlebnis zu intensivieren und den Bedürfnissen entsprechend anzupassen.

    Anwendung: Sei sensibel für die Bedürfnisse deines Körpers während des Zyklus. Experimentiere mit verschiedenen Formen der Intimität und finde heraus, was in verschiedenen Phasen besonders erfüllend ist.

Quellen

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Kiesner J, Bittoni C, Eisenlohr-Moul T, Komisaruk B, Pastore M. Menstrual cycle-driven vs noncyclical daily changes in sexual desire. J Sex Med. 2023 May 26;20(6):756-765. doi: 10.1093/jsxmed/qdad032. PMID: 37037659.

Marcinkowska UM, Shirazi T, Mijas M, Roney JR. Hormonal Underpinnings of the Variation in Sexual Desire, Arousal and Activity Throughout the Menstrual Cycle - A Multifaceted Approach. J Sex Res. 2023 Nov-Dec;60(9):1297-1303. doi: 10.1080/00224499.2022.2110558. Epub 2022 Aug 26. PMID: 36018001.

Shirazi TN, Bossio JA, Puts DA, Chivers ML. Menstrual cycle phase predicts women's hormonal responses to sexual stimuli. Horm Behav. 2018 Jul;103:45-53. doi: 10.1016/j.yhbeh.2018.05.023. Epub 2018 Jun 6. PMID: 29864418.

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